Auf
Veranlassung des Landratsamtes xxx - Führerscheinstelle - unterzog
sich Herr xxx am 29.04.98 einem Gutachten der medizinisch-psychologischen
Fahreignungsuntersuchung.
Herr
xxx hat die Neuerteilung der Fahrerlaubnis zum Führen von Kraftfahrzeugen
der Klasse -3- beantragt. Diese war ihm wegen eines Trunkenheitsdeliktes
vom 24.07.96 entzogen worden (2,32 Promille bei Entnahme). Darüber
hinaus war der Untersuchte bereits am 26.08.95 mit einer Trunkenheitsfahrt
über 1,3 Promille in Erscheinung getreten.
Wegen
der zweifachen Durchführung von Trunkenheitsfahrten, den jeweils
gemessenen, sehr hohen Blutalkoholkonzentrationswerten und der damit
einhergehenden Alkoholgewöhnung bestehen behördlicherseits erhebliche
Bedenken an der charakterlichen Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen.
Ein MPU Gutachten soll Aufschluss bringen.
Fragestellung
der Verwaltungsbehörde
Ist zu erwarten, daß der Untersuchte auch zukünftig ein Kraftfahrzeug
unter Alkoholeinfluß führen wird und/oder liegen als Folge eines
unkontrollierten Alkoholkonsums Beeinträchtigungen vor, die das
sichere Führen eines Kraftfahrzeuges der beantragten Klasse in Frage
stellen?
Das
Gutachten stützt sich auf die hier erhobenen und im einzelnen niedergelegten
Befunde. Der Vorgang der Verwaltungsbehörde wurde eingesehen.
Das
nachfolgende Gutachten wurde auf der Grundlage der Eignungsrichtlinie,
dem Leitfaden 2000 der Vereinigung der Technischen Überwachungsvereine
e.V. zur Begutachtung der Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen
in amtlich anerkannten Medizinisch-Psychologischen Untersuchungsstellen
(MPU) sowie dem Gutachten des Gemeinsamen Beirats für Verkehrsmedizin
"Krankheit und Kraftverkehr" (Heft 73 von 1996) und des
"Psychologischen Gutachtens Kraftfahreignung" 1995) erstellt.
Medizinischer
Teil- Gutachter: Dr. med. xxx
Vorgeschichte
Nach eigenen Angaben keine wesentlichen Erkrankungen. Keine verkehrsmedizinisch-relevanten
Unfälle oder Operationen in der Anamnese. Keine regelmäßige Medikamenteneinnahme.
Untersuchungsbefunde
xx-jähriger Mann in gutem Allgemein- und Ernährungszustand.
Gewicht: 90 kg bei einer Körpergröße von 186 cm.
Blutdruck: 122/76 mmHg; Puls: 8l/min, regelmäßig.
Kardiopulmonaler Befund unauffällig (keine
Insuffizienz-Zeichen, keine Ruhedyspnoe)
Abdomen: Leber nicht vergrößert. Die am Untersuchungstag vorgelegten
Laborwerte vom 22.01.98 sowie vom 01.04.98 sind einschließlich des
MCV im Normbereich. Am Untersuchungstag sind die Transaminasenwerte
GOT und GPT normabweichend erhöht.
Am Untersuchungstag vorgelegte Laborwerte vom 22.01.98:
GOT 09.0 U/1 (Norm < 22 U/1)
GPT 17.5 U/1 (Norm < 24 U/1)
GGT 11.2 U/1 (Norm von 6-28 U/1)
MCV 88 fl (Norm von 83-103 fl)
Laborwerte vom 29.04.98:
GOT 08.3 U/1 (Norm < 22 U/1)
GPT 17.6 U/1 (Norm < 24 U/1)
GGT 14.2 U/1 (Norm von 6-28 U/1)
MCV 94 fl (Norm von 83-103 fl)
Am Untersuchungstag vorgelegte Laborwerte vom 01.04.98:
GOT 1.49 µmol/ls (Norm < 0.62 µmol/ls)
GPT 1.00 µmol/ls (Norm < 0.68 µmol/ls)
GGT 0.42 µmol/ls (Norm < 0.82 µmol/ls)
MCV 94.0 fl (Norm von 83-98 fl)
Keine pathologischen Resistenzen, kein Druckschmerz.
Extremitäten: Frei beweglich. Keine Paresen.
Z N S: Muskeleigenreflexe seitengleich auslösbar. Keine Hirnnervenstörungen.
Finger-Finger-Versuch: unauffällig
Finger-Nase-Versuch: unauffällig
Knie-Hacken-Versuch: unauffällig
Romberg: unauffällig
Unterberger: unauffällig
Seiltänzergang: unauffällig
Koordination: Intakt
Hörvermögen: Flüstersprache in 4 m beiderseits verstanden.
Sehschärfe: Intakt
Farbsehen: Ungestört
Stereosehen: Intakt
Psyche: In allen Qualitäten orientiert, bewußtseinsklar, wach.
Psychologischer
Teil - Gutachter: xxx
Verhalten
in der Untersuchungssituation
Herr xxx berichtete in der psychologischen Exploration über seinen
Werdegang und nahm sachlich zu den Hintergründen seiner Delikte
sowie seiner zwischenzeitlich durchlaufenen Entwicklung Stellung.
Herr xxx war in der Untersuchungssituation gut angepaßt.
Untersuchungsgespräch von 15.42 Uhr bis 16.30 Uhr.
Umweltfaktoren
Beruf: Herr xxx gab an, die Schule nach xx Schuljahren im Jahre
xxx verlassen zu haben. Er habe eine Ausbildung als xxx sowie als
xxx (jeweils mit Abschluß) absolviert. Seit xxx sei er selbständiger
Unternehmer.
Familie: Herr xxx gab an, daß er ledig sei.
Seine besonderen Freizeitinteressen gelten der Börse, dem Fitneßtraining,
dem Surfen im Internet und der Beschäftigung mit seiner Freundin.
Außerdem lese er gerne. Insgesamt habe er aber wenig Freizeit. Insgesamt
wird die derzeitige Lebenssituation als zufriedenstellend dargestellt.
Explorationsdaten
In der psychologischen Exploration, dem Untersuchungsgespräch zur
Vorgeschichte und zu den jetzt vorherrschenden Einstellungen und
Verhaltensbereitschaften, wurden dem Untersuchungsanlaß entsprechend
vor allem die Fragen der Selbstbeobachtung und Selbstkontrolle bei
Trinkanlässen, die Ausprägung und Verfestigung der Trinkgewohnheiten,
der Kenntnisstand zum Problem der Alkoholeinwirkung beim Führen
von Kraftfahrzeugen sowie die eigenen Vorstellungen über die Vermeidung
von Trunkenheitsfahrten angesprochen. Die Angaben von Herrn xxx
hierzu wurden handschriftlich und z. T. wörtlich protokolliert.
Zudem kamen anlaßbezogen Fragebogenverfahren zum Problembereich
"Alkoholkonsum - Führen von Kraftfahrzeugen" zur Anwendung.
Zu dem 1. aktenkundigen Trunkenheitsdelikt vom 26.08.95 gab der
Untersuchte an, daß er in xxx im Spielkasino gewesen sei und dort
3 bis 4 Biere (0,5 1) sowie 5 cl Whisky zu sich genommen habe. Er
habe diese Mengen innerhalb von 1,5 Stunden getrunken. Danach befragt,
wie er sich bei der Trunkenheitsfahrt gefühlt habe und ob er sich
erinnern könne, welche Strecke er gefahren sei, antwortete Herr
xxx, daß er den Alkohol schon gespürt habe. An die Fahrstrecke könne
er sich noch erinnern. Er habe bis zur Auffälligkeit 2 km zurückgelegt
und habe noch 20 km fahren wollen. Er habe sich fahrtauglich gefühlt.
Auf die 2. Trunkenheitsfahrt aus dem Jahre 1996 angesprochen, bei
der er mit einem Promillewert von 2,32 %o aufgefallen war, gab Herr
xxx an, daß er mit einem Bekannten ein Volksfest besucht und dort
von 22.00 Uhr bis 23.00 Uhr 3 Biere (0,5 1) zu sich genommen habe.
Anschließend habe er noch eine Disko aufgesucht und dort noch 3
Biere (0,5 1) und 3 einfache Whisky getrunken. Er könne nicht ausschließen,
daß er in der Disko auch noch mehr Alkohol getrunken habe. Er sei
von einer Polizeistreife aufgegriffen worden. "Ich war total
volltrunken." Darauf angesprochen, ob er sich bei der Fahrt
fahrtauglich gefühlt habe und ob er noch fahrtauglich gewesen sei,
führte Herr xxx aus: "Ich hatte einen Filmriß und war total
betrunken." Weitere Angaben zu den Umständen dieses Trunkenheitsdeliktes
waren ihm nicht möglich. Wie er sich die erneute Auffälligkeit erkläre?
"Ich hatte ein Alkoholproblem gehabt und konnte nicht kontrolliert
trinken." Wie er sich auf die heutige Untersuchung vorbereitet
habe? "Ich habe beim TÜV ein Seminar für alkoholauffällige
Fahrer zweimal besucht, jeweils 4 bis 5 Stunden." Herr xxx
war aber nicht in der Lage, diese Seminarteilnahme nachzuweisen.
Er wisse auch das Datum dieser Seminarteilnahme nicht mehr. Auf
die Frage, ob er weitere Trunkenheitsfahrten begangen habe, gab
der Untersuchte an, daß er in der Zeit nach der Neuerteilung der
Fahrerlaubnis vielleicht 1 bis 2 mal alkoholisiert am Straßenverkehr
teilgenommen habe. Fahrten unter dem Einfluß von Restalkohol habe
es für ihn nicht gegeben. Wie er die beiden Trunkenheitsfahrten
bewerte? "Das hat sich langsam gesteigert, das war keine Ausnahme,
daß ich noch mal aufgefallen bin. Ich habe nach der 1. Trunkenheitsfahrt
mehr Alkohol getrunken." Nach seinen Trinkgewohnheiten vor
dem 1. Trunkenheitsdelikt befragt, antwortete der Untersuchte, daß
er von Montag bis Donnerstag keinen Alkohol getrunken habe. Freitags
habe er 5 bis 7 Biere (0,5 1) und ganz wenig Schnaps getrunken.
Sonnabends habe er ebenso 5 bis 7 Biere (0,5 1) sowie hin und wieder
einmal einen Whisky konsumiert. Besondere Trinkanlässe seien die
Freitage und die Sonnabende gewesen. Darüber hinaus habe er keinen
Alkohol getrunken. In der Zeit nach dem 1. Trunkenheitsdelikt bis
zur 2. Trunkenheitsfahrt habe er mehr Alkohol getrunken. "Das
ist eher mehr geworden." Er habe aber weiterhin von Montag
bis Donnerstag keinen Alkohol getrunken. Herr xxx gab an, daß er
Freitags 5 bis 7 Biere (0,5 1) sowie 5 bis 7 einfache Schnäpse konsumiert
habe. Besondere Trinkanlässe habe es für ihn immer Freitags und
Sonnabends gegeben. Auf die Frage, wie sich seine Trinkgewohnheiten
nach dem 2. Trunkenheitsdelikt bis heute weiterentwickelt haben,
äußerte der Untersuchte: "Ich habe schlagartig nach dem 2.
Delikt aufgehört." Danach befragt, wann er zuletzt Alkohol
getrunken habe, antwortete Herr xxx, daß dies am 24.07.96, am Tag
des Führerscheinentzuges, bei ihm der Fall gewesen sei. Seither
lebe er durchgängig alkoholabstinent. Nach eingehender Erörterung
der Unterschiede zwischen einer alkoholabstinenten Lebensweise,
einer eingelegten Trinkpause und einem stark reduziertem Alkoholkonsum,
blieb der Untersuchte bei seiner Angabe, daß, er zukünftig ein Leben
lang alkoholabstinent leben wolle. Danach befragt, warum er nun
ein Leben lang alkoholabstinent leben wolle und welches Motiv er
habe, antwortete Herr xxx: "Weil ich gesünder leben will. Ich
lebe ruhiger und andere leben ruhiger." Weitere Angaben waren
ihm hierzu nicht möglich. Danach befragt, ob es bei ihm Zeiten eines
erhöhten Alkoholkonsums oder problematischen Umgangs mit Alkohol
gegeben habe, gab der Untersuchte an: "Am Delikttag war das
Mißbrauch." Andere Zeiten eines erhöhten oder problematischen
Umganges mit Alkohol habe es für ihn nicht gegeben. Auf die Frage,
wie er seine früheren Alkoholkonsumgewohnheiten aus heutiger Sicht
bewertet, antwortete Herr xxx: "Das war viel zuviel und unkontrolliert
und ohne nachzudenken." Gutachterlicherseits nach persönlich
erlebten Veränderungen, im psychischen, physischen und sozialen
Bereich, in Bezug auf seine alkoholabstinente Lebensweise befragt,
berichtete der Untersuchte: "Ich habe positive Reaktionen von
meinen Eltern und meiner Freundin erfahren und bin leistungsfähiger
geworden." Weitere Angaben waren ihm nicht möglich. Nach den
Reaktionen seiner Bekannten und Freunde zu seiner jetzigen alkoholabstinenten
Lebensweise befragt, schilderte der Untersuchte: "Ich habe
ein paar Freunde verloren und alle anderen waren sehr positiv davon
angetan. Die haben meine Geschichte gekannt und sagten: 'Endlich
wirst du mal schlau'." Danach befragt, ob Ihm der abrupte Verzicht
auf Alkohol schwergefallen ist, antwortete der Untersuchte, daß
er keine Schwierigkeiten oder Probleme bei der Veränderung seiner
Trinkgewohnheiten gehabt habe. Darauf angesprochen, ob er für seine
alkoholabstinente Lebensweise fremdunterstützende Hilfe in Anspruch
genommen habe, gab Herr xxx an, daß er dies nicht getan habe: "Nein,
was soll ich denn da? Ich bin doch nicht süchtig gewesen."
Wie er seine Alkoholproblematik mit eigenen Worten beschreiben würde?
"Ich war in Wochenend-Halodrie. Ich habe den Alkohol nicht
gebraucht und wollte aber gesellschaftlich nicht aus der Rolle fallen."
Danach befragt, mit welchen von ihm angewendeten Strategien er
seine Abstinenz beibehalten wolle, gab der Untersuchte an: "Konsequent
abstinent leben. In der Disko sage ich 'nein' und Schluß ist damit."
Nach seinen Zukunftsplanen befragt, gab der Untersuchte an, daß
er sein Unternehmen vergrößern wolle. Außerdem wolle er irgendwann
heiraten, ein Haus bauen und ein ordentlicher Familienvater sein.
Laufende Verfahren wurden verneint.
Psychophysische
Funktionsprüfung
Der Untersuchte hat Handlungsproben absolviert, die kraftfahrbedeutsame
Leistungsfunktionen erfassen. Alle verwendeten Testverfahren sind
standardisiert, d.h. reliabel, objektiv und normiert. Ihre Gültigkeit
(Validität) ist durch Forschungsergebnisse nachgewiesen. Die Testergebnisse
werden in Prozenträngen von 1 - 100 angegeben. Ein Prozentrang (PR)
von 45 bedeutet z.B., daß 55 % der Bezugsgruppe 'Kraftfahrerpopulation"
Testergebnisse erzielen, die
über der erreichten Leistung liegen. Ein PR von 100 steht also für
die bestmögliche, ein PR von 1 für die geringste Leistung. Folgendes
Testverfahren wurde durchgeführt:
Test für reaktive Stress-Toleranz RST 3
Darbietungsform: Einzeltest am Wiener Determinationsgerät des Wiener
Testsystems PC/S.
Diagnostizierbare Bereiche: Reaktionskapazität, auch "reaktive
Dauerbelastbarkeit" bzw.
Stresstoleranz" genannt, bei Mehrfach-Wahlreaktionen.
Aufgabenbeschreibung: Der Test besteht aus drei Teilen, wobei in
jedem Teil die gleiche
Sequenz von 180 optischen und akustischen Signalen (5 Farbsignale,
2 weiße Lichtsignale, 2 Töne) mit vorgegebener Frequenz dargeboten
wird. Auf alle Signale ist durch möglichst schnelle Betätigung der
jeweils zugehörigen Taste zu reagieren. Die Signalabfolge der drei
Testteile ist unterschiedlich, wodurch der langsame 1. Teil als
"Einübungsphase, der schnellere 2. Teil als "Belastungsphase"
und der wiederum etwas leichtere 3. Teil als "Erholungsphase"
gekennzeichnet ist.
Testresultate: Prozentrang (Gesamtnorm)
1. Phase:
Richtige Reaktionen: 8
Verzögerte Reaktionen: 20
Auslassungen : 4
Fehlreaktionen: 85
2. Phase:
Richtige Reaktionen: 1
Verzögerte Reaktionen: 34
Auslassungen : 1
Fehlreaktionen: 98
3. Phase:
Richtige Reaktionen: 1
Verzögerte Reaktionen: 53
Auslassungen : 1
Fehlreaktionen: 55
Verkehrserfahrung
Herr xxx gab an, daß er seit 1988 Führescheinbesitzer der Klasse
-3- gewesen sei. Insgesamt habe er etwa 500.000 km aktiv am Straßenverkehr
teilgenommen. In den letzten 12 Monaten des Führerscheinbesitzes
habe er etwa 20.000 km zurückgelegt. Die Verkehrserfahrung kann
als überdurchschnittlich bezeichnet werden.
Zusammenfassende
Befundwürdigung
Herr xxx strebt die Neuerteilung einer Fahrerlaubnis der Klasse
-3- an. Wegen der von ihm begangenen Delikte bestehen jedoch behördlicherseits
Zweifel, ob er die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen besitzt.
Die anlaßbezogene medizinische Untersuchung hat Befundauffälligkeiten
ergeben. Bei den leberspezifischen Laborparametern sind die Transaminasenwerte
GOT und GPT gegenüber dem Normbereich erheblich erhöht. Aufgrund
der längeren Halbwertszeiten von GOT und GPT gegenüber der GGT muß
bei der Konstellation einer normalen GGT mit mäßiggradig erhöhten
GOT- und/oder GPT Aktivitäten an eine kurzdauernde Alkoholkarenz
als Erklärung gedacht werden. Daher kann nicht ausgeschlossen werden,
daß dieser Befund durch einen noch nicht lange zurückliegenden erhöhten
Alkoholkonsum bedingt ist. Die Anamnese sowie die Konstellation
der übrigen bestimmten Laborparameter ergaben keinen Anhaltspunkt,
daß die Erhöhung durch nicht alkoholbedingte Erkrankungen, die Einnahme
von Medikamenten oder Belastung durch andere lebertoxische Stoffe
bedingt ist. Aus verkehrsmedizinischer Sicht beurteilen wir die
Angaben zur Abstinenz daher als nicht glaubhaft. Das dargestellte
psychofunktionale Leistungsprofil verweist auf das Vorliegen gravierender
Leistungsminderungen. Diese sind unter Berücksichtigung unserer
sonstigen Befunde in ursächlichem Zusammenhang mit vorangegangenem
unkontrollierten Alkoholkonsum zu sehen und stellen für sich genommen
bereits ein sicheres Führen von Kraftfahrzeugen in Frage (in dem
schriftlich zu bearbeitenden Fragebögen zur Person hatte der Untersuchte
angegeben, daß er sich am Untersuchungstag gesund und leistungsfähig
gefühlt habe). Der weitere Schwerpunkt der Eignungsfrage liegt neben
dem medizinischen Teil auch im Persönlichkeitsbereich, hier besonders
bei der Frage, ob künftig ein ausreichend kritischer Umgang mit
Alkohol beim Führen von Kraftfahrzeugen erwartet werden kann. Die
Frage der Selbstkontrolle und Vorausschau zur Vermeidung von Fahrten
unter Alkoholeinfluß gewinnt daher für die Beurteilung der Fahreignung
an Bedeutung. Die Vorgeschichtsanalyse macht deutlich, daß Herr
xxx in der Vergangenheit wiederholt in verkehrsrechtlicher Hinsicht
(mit 2 Trunkenheitsdelikten, l,3 Promille und 2,32 Promille) in
Erscheinung getreten ist. Es handelt sich dabei um Delikte, die
auf eine erhöhte Risikobereitschaft bzw. Uneinsichtigkeit gegenüber
den Belangen der Sicherheit des Straßenverkehrs hinweisen. Je häufiger
ein Kraftfahrer zudem durch Verstöße gegen die Vekehrsbestimmungen
aufgefallen ist, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, daß er
erneut auffällig wird, weil von überdauernden Anpassungsschwierigkeiten
und Fehleinstellungen auszugehen ist. Als prognostisch ungünstig
für die zukünftige Fahrbewährung ist zu werten, daß die Trunkenheitsfahrten
in einem extrem kurzem zeitlichen Abstand voneinander erfolgten
(1995 und 1996). Darüber hinaus wurde von der 1. zur 2. Trunkenheitsfahrt
eine ansteigende Blutalkoholkonzentration festgestellt. Gestiegene
Blutalkoholkonzentrationen sind jedoch Kennzeichen für einen in
dieser Zeit sich verfestigenden Hang zu übermäßigem Alkoholkonsum.
Aus der Analyse dieser objektiven Rahmendaten muß daher geschlossen
werden, daß Herr xxx nicht in der Lage war, die vorausgegangene
Trunkenheitsfahrt und alle dazugehörigen Umstände konstruktiv zu
verarbeiten und sein Verhalten in entsprechenden Situationen zu
verändern. Die Höhe des Blutalkoholgehaltes bei einer Trunkenheitsfahrt
kann als Indiz für die Alkoholgewöhnung und damit auch für Trinkgewohnheiten
angesehen werden. Es muß damit gerechnet werden, daß Personen, bei
denen hohe Blutalkoholkonzentrationen festgestellt wurden, in höherem
Maße zum Alkoholabusus neigen als Personen mit relativ niedrigen
Alkoholkonzentrationen. Entgegen der verbreiteten Meinung, die Daten
der Vorgeschichte gaben keine Auskunft über das zukünftige Verhalten
eines Kraftfahrers, ist eine eingehende Analyse der Vorgeschichte
erforderlich, wenn eine angemessene Beurteilung der Fahrtauglichkeit
erfolgen soll. Wissenschaftliche Untersuchungen zur Bedeutung von
objektiven Vorgeschichtsdaten haben immer wieder gezeigt, daß Art
und Häufigkeit früherer Verkehrsdelikte auf die Qualität der zukünftigen
Verkehrsbewährung schließen lassen.
Die Blutalkoholkonzentration (BAK), die nach einem Trunkenheitsdelikt
gemessen wird, kann als Hinweis auf die Art und den Umfang des jeweiligen
Alkoholgenusses interpretiert werden. Trinkversuche haben gezeigt,
wie sehr man die gesellschaftsübliche Alkoholgewöhnung und Trinkmenge
überschreiten muß, um die bei Trunkenheitsdelikten in der Regel
vorliegende Blutalkoholkonzentration von 1,3 Promille und mehr erreichen
zu können. Personen, die gewohnt sind, im sozial üblichen Rahmen
Alkohol zu konsumieren, erreichen meist nur eine Blutalkoholkonzentration
unter 0,8 Promille. Darüber hinaus muß festgestellt werden, daß
man in der Regel ganz erhebliche Mengen Alkohol zu sich nehmen muß,
um eine Blutalkoholkonzentration von 1,6 Promille oder mehr zu erreichen.
Bei solchen Mengen kann man durchaus von exzessivem Trinken sprechen.
Gleichzeitig muß von einer überdurchschnittlichen Alkoholgewöhnung
ausgegangen werden. Bei der Analyse des 2. Trunkenheitsdeliktes
fällt daher der außergewöhnlich hohe Blutalkoholkonzentrationswert
(2,32 Promille) auf, der bei einer kontrollierten Trinkweise nicht
erreicht wird. Diese verkehrspsychologische Sicht findet auch in
die Rechtsprechung ihren Eingang. So hat das Bundesverwaltungsgericht
zur diagnostischen Bedeutung von BAK-Werten im Urteil vom 15.01.1~988
(7 C 46.87) auf den Seiten 6/7 ausgeführt, daß verkehrsmedizinische
Untersuchungen darauf hindeuten, daß der sog. 'Geselligkeitstrinker'
alkoholische Getränke allenfalls bis zu einem Blutalkoholgehalt
von 1 oder maximal etwa 1,3 Promille verträgt und zu
sich nehmen kann und daß Personen, die Blutalkoholwerte über etwa
1,6 Promille erreichen, regelmäßig bereits an einer dauerhaften
ausgeprägten Alkoholproblematik leiden (vgl. dazu KUNKEL, Blutalkohol,
1985, S. 341, und DAR 1987, 38, S. 41 ff.; STEPHAN, ZVS
1986, S. 2; SCHNEIDER, in: Deutsche Akademie für Verkehrswissenschaft,
24. Deutscher Verkehrsgerichtstag 1986, S. 326 f., S. 338 f.) In
diesem Zusammenhang ist auch auf das Urteil der 3. Kammer des Verwaltungsgerichts
Minden (3 K 1444/83) vom 11. Juli 1984 hinzuweisen, in welchem auf
Seite 18 ausgeführt wird, daß die Neuerteilung einer Fahrerlaubnis
nach Trunkenheitsfahrten mit BAK-Werten von 2,0 Promille und mehr
nur dann in Betracht kommt, wenn die im Urteil des OLG Münster (19
A 1110/82) vom 09.12.1983 auf Seite 12 festgelegten Anforderungen
erfüllt sind: Entweder Nachweis einer alkoholabstinenten Lebensweise
("volle Umkehr") oder Teilnahme an einem Nachschulungskurs
("verhaltensändernde Maßnahmen"): "Das gleiche gilt
für Kraftfahrer, die bei der ersten Trunkenheitsfahrt eine Blutalkoholkonzentration
von 2,0 Promille und mehr aufweisen."
Grundsätzlich ist bei alkoholauffälligen Kraftfahrern die Rückfallgefahr
zudem um so größer, je höher bei ihnen die Blutalkoholkonzentration
war. Wenn bei dieser gravierenden Verkehrsvorgeschichte eine positive
Prognose überhaupt noch als möglich in Erwägung gezogen werden soll,
dann müssen sehr eindeutige und überzeugende Hinweise für eine wirklich
grundlegende Wandlung von Haltung, Einstellung und Alkoholkonsumgewohnheiten
vorliegen, welche gewährleisten, daß die gruppenspezifische statistische
Rückfallwahrscheinlichkeit seiner Tätergruppe für ihn nicht gilt.
Kunkel (1987/1988) hat darüber hinaus nachgewiesen, daß die Ursache
der hohen Rückfallzahlen (fast 50 % bei Ersttätern im Zeitraum von
10 Jahren) in erster Linie in dem unveränderten Trinkverhalten zu
sehen ist. Der durchaus glaubhafte und ernst gemeinte Vorsatz, so
zitiert Kunkel u.a. 1 Fall "Ich fahre nicht mehr betrunken
mit dem Auto!" ist zwangsläufig wirkungslos, wenn nicht ein
kontrolliertes Trinken praktiziert wird. Im Verlaufe des verkehrspsychologischen
Untersuchungsgesprächs hatte der Untersuchte Gelegenheit, die von
ihm begangene Delikte aus seiner Sicht darzustellen und seine gegenwärtige
Lebenssituation zu schildern. Seine ehemaligen und jetzigen Alkoholkonsumgewohnheiten
wurden eingehend erörtert. Einen entsprechenden Wandel seiner Einstellung
und Haltung, zum Problemkreis Alkohol, konnte der Untersuchte in
der Exploration jedoch nicht glaubhaft machen. Herr xxx machte in
der Exploration geltend, abstinent zu leben. Bei der Angabe abstinenten
Verhaltens wird jedoch Skepsis immer dann geboten sein, wenn dafür
keine tragfähigen und überzeugenden Motive ("Weil ich gesunder
leben will. 1. Ich lebe ruhiger und andere leben ruhiger")
benannt werden können. Einen Bezug zu einem erhöhten oder problematischen
Umgang mit alkoholischen Getränken stellte er bei der Erörterung
dieses Themenbereiches nicht dar. Die Dauerhaftigkeit abstinenter
Lebensführung ist wesentlich abhängig vom Grad der Einsicht, die
dem abstinenten Verhalten zugrunde liegt. Hierzu gehört in erster
Linie, daß die eigenen normabweichend starken Trinkgewohnheiten
als solche erkannt worden sind. Das ist - wie das Ergebnis der Exploration
zeigt - bei dem Untersuchten nicht hinreichend der Fall. In der
Einschätzung seiner Alkoholproblematik ergaben sich Widersprüche,
wenn der Untersuchte einerseits behauptet, daß er früher zu viel
und unkontrolliert getrunken habe und auf der anderen Seite aber
angab, daß es für ihn praktisch keine Zeiten eines erhöhten oder
problematischen Umganges mit Alkohol gegeben habe ("Am Delikttag
war das Mißbrauch." Andere Zeiten eines erhöhten oder problematischen
Umganges mit Alkohol habe es für ihn nicht gegeben). Die behauptete
einschneidende Änderung seines Trinkverhaltens ist auch insofern
unglaubwürdig, als charakteristische Begleitsymptome und Folgeerscheinungen,
die dann erfahrungsgemäß erlebt ("Ich habe positive Reaktionen
von meinen Eltern und meiner Freundin erfahren und bin leistungsfähiger
geworden") und auch bemerkt werden, nicht hinreichend differenziert
geschildert werden konnten. Die Angabe, daß seit 31.07.1996 Alkoholabstinenz
eingehalten werde, ist auch deshalb zu bezweifeln, da die Umstellung
im Trinkverhalten gänzlich problemlos verlaufen sei. Dies steht
im Widerspruch zu jenen ganz erheblichen Schwierigkeiten, welche
erfahrungsgemäß Personen berichten, die früher Alkoholmißbrauch
betrieben haben. Eine Änderung des Alkoholkonsums stellt in unserer
Gesellschaft - insbesondere wenn sie zur völligen Alkoholabstinenz
führt - einen weitreichenden Eingriff in das gesamte Lebensgefüge
dar, der nicht nur zu "intrapsychischen Konflikten", sondern
auch zu "sozialen Reibungen" führt. Hieraus resultiert,
daß nur bei einer entsprechend starken Motivation eine grundlegende
Verhaltensänderung möglich ist. Von solchen Konflikten wußte Herr
xxx nichts zu berichten ("Ich habe ein paar Freunde verloren
und alle anderen waren sehr positiv davon angetan. Die haben meine
Geschichte gekannt und sagten: 'Endlich wirst du mal schlau").
Bis auf die - nicht glaubhafte - Angabe der Alkoholabstinenz war
im Untersuchungsgespräch keine nachvollziehbare selbstkritische
Auseinandersetzung mit dem alkoholbedingten Fehlverhalten erkennbar.
Vor dem Hintergrund der auffälligen medizinischen Befundlage vom
Untersuchungstag und den teilweise stereotyp vorgetragenen Angaben
zu seiner Alkoholproblematik steht daher zu befürchten, daß der
Untersuchte seine Aussagen aufgrund einer intensiven Vorbereitung
auf diese Untersuchung mehr im Rahmen vermeintlicher Zweckdienlichkeit
getätigt hat und daß er nur in geringerem Maße seine
lebenswirklichen Erfahrungen schilderte. Angesichts der gravierenden
Vorgeschichtstatsachen wäre eine tatsächliche alkoholabstinente
Lebensweise (!) als wünschenswert und
unabdingbar anzusehen, damit ein Rückfall in ehemals gepflegte Alkoholkonsumgewohnheiten
vermieden werden kann. Ein Betroffener, bei dem angesichts der Höhe
der Blutalkoholkonzentration anläßlich nicht nur einer Trunkenheitsfahrt
in der Vergangenheit von einer pathologischen Alkoholgewöhnung auszugehen
ist, muß in Anlehnung an die Darlegungen von STEPHAN (vgl. auch
Schleswig-Holsteinisches Oberverwaltungsgericht, Aktenzeichen
4 L 229/91 (3A 150/91), ein realistisches und selbstkritisches Problembewußtsein
hinsichtlich seines früheren Alkoholmißbrauches aufweisen. Der Untersuchte
muß auf dem Hintergrund einer realistischen Analyse glaubhaft zu
einem Abstinenzentschluß, gekommen und in der Lage sein, diesen
Entschluß auch zu realisieren, was - wie das Ergebnis der Exploration
zeigt, noch nicht der Fall ist. Herr xxx kann seine Eignung zum
Führen von Kraftfahrzeugen nur dann wiedergewinnen, wenn sich bei
ihm ein grundlegender Wandel in seiner Einstellung zum Alkohol überhaupt
- und nicht nur zu dem Komplex Alkohol im Straßenverkehr - vollzieht.
Bei einem unter Berücksichtigung der erreichten Blutalkoholkonzentrationen
zu charakterisierenden Gewohnheitstrinker schließt nur eine absolute
Abstinenz das zukünftige Fuhren eines Kraftfahrzeuges unter Alkoholeinfluß
aus. Die gutachterlicherseits dringend gebotene Abstinenz muß auf
einer unabhängig von der Frage der Erlangung der Fahrerlaubnis bestehenden
Motivation beruhen.
Abschließende
Stellungnahme
Im medizinischen Bereich ergaben die Laborbefunde Hinweise auf einen
erhöhten Alkoholkonsum vor kurzer Zeit. Daher ist die angeführte
Alkoholabstinenz als nicht glaubhaft zu bezeichnen. Im psychologischen
Bereich liegen vom Leistungsaspekt her bereits gravierende Beeinträchtigungen
vor, die das sichere Führen eines Kraftfahrzeuges der beantragten
Klasse für sich genommen bereits in Frage stellen. Da die behauptete
Alkoholabstinenz nicht glaubhaft ist, ergeben sich insgesamt Befunde,
nach denen mit überwiegender Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist,
daß der Untersuchte auch zukünftig ein Kraftfahrzeug unter Alkoholeinfluß
führen wird. Nachschulungsmaßnahmen sind im vorliegenden Fall aus
methodischen Gründen nicht möglich, da diese die in dem vorliegenden
Einzelfall unbedingt erforderliche Alkoholabstinenz nicht vermitteln
können. Es ergaben sich derzeit keine Hinweise, die die Erwartung
rechtfertigen würden, daß es sich bei der verbal dargestellten Veränderung
des Trinkverhaltens (Alkoholabstinenz) um mehr als eine, nicht glaubhafte,
Verhaltensangabe mit dem Ziel der Wiedererteilung einer Fahrerlaubnis
handelt. Gutachterlicherseits wird eine erneute Begutachtung in
einem medizinisch-psychologischen Institut nicht vor Ablauf von
weiteren 12 Monaten unter der Voraussetzung empfohlen, daß der Untersuchte
eine Alkoholabstinenz glaubhaft machen kann.
Eventuelle
Rechtschreibfehler bitte ich zu Lasten einer untauglichen OCR-Software
(Texterkennung nach dem Scannen) zu entschuldigen.
;-) Danke.