Urteil
des Europäischen Gerichtshofes in der Rechtssache C-476/01
Felix Kapper
EIN
MITGLIEDSTAAT DARF EINEM VON EINEM ANDEREN MITGLIEDSTAAT AUSGESTELLTEN
FÜHRERSCHEIN DIE ANERKENNUNG NICHT DESHALB VERSAGEN, WEIL NACH DEN
IHM VORLIEGENDEN INFORMATIONEN DER FÜHRERSCHEININHABER ZUM ZEITPUNKT
DER AUSSTELLUNG DES FÜHRERSCHEINS SEINEN ORDENTLICHEN WOHNSITZ NICHT
IM HOHEITSGEBIET DES MITGLIEDSTAATS HATTE, DER DEN FÜHRERSCHEIN
AUSGESTELLT HAT Ein Mitgliedstaat darf die Anerkennung der Gültigkeit eines Führerscheins,
der später von einem anderen Mitgliedstaat ausgestellt worden ist,
nicht weiterhin ablehnen, wenn die frühere Fahrerlaubnis des Führerscheininhabers
im erstgenannten Mitgliedstaat entzogen oder aufgehoben wurde, die
Sperrfrist für die Neuerteilung der Fahrerlaubnis in diesem Mitgliedstaat
aber bereits abgelaufen ist. Mit Strafbefehl vom 26. Februar
1998 hatte das Amtsgericht Frankenthal Herrn Kapper die deutsche
Fahrerlaubnis entzogen und die Verwaltungsbehörden angewiesen, ihm
vor Ablauf von neuen Monaten, also bis zum 25. November 1998, keine
neue Fahrerlaubnis zu erteilen. Im Jahr 2000 verhängte dasselbe
Gericht gegen ihn eine Geldstrafe, weil er 1999 in Deutschland ein
Kraftfahrzeug ohne gültige Fahrerlaubnis geführt hatte; Herr Kapper
war zu dieser Zeit im Besitz eines am 11. August 1999 ausgestellten
niederländischen Führerscheins. Im Rahmen des von Herrn Kapper eingeleiteten
Einspruchsverfahrens möchte das Amtsgericht vom Gerichtshof wissen,
ob die Richtlinie über den Führerschein der Anwendung der nationalen
Vorschriften entgegensteht, wonach dem in den Niederlanden ausgestellten
Führerschein die Wirksamkeit in Deutschland abgesprochen wird. Der
Gerichtshof weist zunächst darauf hin, dass nach seiner Rechtsprechung
diese Richtlinie die gegenseitige Anerkennung der von den Mitgliedstaaten
ausgestellten Führerscheine ohne jede Formalität vorsieht. Da sie
dem Ausstellungsmitgliedstaat eine ausschließliche Zuständigkeit
verleiht, sich zu vergewissern, dass die Führerscheine unter Beachtung
der in der Richtlinie vorgesehenen Wohnsitzvoraussetzung ausgestellt
werden, ist es allein Sache dieses Mitgliedstaats, geeignete Maßnahmen
in Bezug auf diejenigen Führerscheine zu ergreifen, bei denen sich
nachträglich herausstellt, dass ihre Inhaber diese Voraussetzung
nicht erfüllt haben. Hat ein Aufnahmemitgliedstaat ernsthafte Gründe,
die Ordnungsmäßigkeit eines oder mehrerer von einem anderen Mitgliedstaat
ausgestellter Führerscheine zu bezweifeln, so hat er dies dem anderen
Mitgliedstaat im Rahmen der gegenseitigen Unterstützung und des
Informationsaustauschs nach der Richtlinie mitzuteilen. Der Gerichtshof
stellt daher fest, dass der in der Richtlinie vorgesehene Grundsatz
der gegenseitigen Anerkennung der Führerscheine es einem Mitgliedstaat
(A) verbietet, die Anerkennung eines von einem anderen Mitgliedstaat
(B) ausgestellten Führerscheins mit der Begründung zu verweigern,
dass der Inhaber des Führerscheins nach den Informationen, über
die der erstgenannte Staat (A) verfügt, zum Zeitpunkt der Ausstellung
des Führerscheins seinen ordentlichen Wohnsitz im Hoheitsgebiet
dieses Staates (A) und nicht im Hoheitsgebiet des Ausstellungsstaats
(B) gehabt habe. Sodann stellt der Gerichtshof klar, dass für Herrn
Kapper, als er am 11. August 1999 den niederländischen Führerschein
erhielt, keine Sperre mehr für die Beantragung einer Neuerteilung
der Fahrerlaubnis bei den zuständigen deutschen Behörden mehr bestand.
Die Richtlinie erlaubt es einem Mitgliedstaat (A), die Gültigkeit
eines von einem anderen Mitgliedstaat (B) ausgestellten Führerscheins
dann nicht anzuerkennen, wenn auf dessen Inhaber im Hoheitsgebiet
des erstgenannten Staates (A) eine Maßnahme der Einschränkung, der
Aussetzung, des Entzugs oder der Aufhebung der Fahrerlaubnis angewendet
wurde. Diese Ausnahme ist ihrem Wesen nach eng auszulegen, und ein
Mitgliedstaat kann sich nicht auf sie berufen, um einer Person,
auf die in seinem Hoheitsgebiet eine Maßnahme des Entzugs oder der
Aufhebung einer früher von ihm erteilten Fahrerlaubnis angewendet
wurde, auf unbestimmte Zeit die Anerkennung der Gültigkeit eines
Führerscheins zu versagen, der ihr möglicherweise später von einem
anderen Mitgliedstaat ausgestellt wird. Ist nämlich die Sperrfrist
für die Neuerteilung der Fahrerlaubnis im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats
bereits abgelaufen, so verbietet es die Richtlinie diesem Mitgliedstaat,
weiterhin die Anerkennung der Gültigkeit eines Führerscheins, der
dem Betroffenen später von einem anderen Mitgliedstaat ausgestellt
worden ist, abzulehnen. Es wäre die Negation des Grundsatzes der
gegenseitigen Anerkennung der Führerscheine selbst, der den Schlussstein
des mit der Richtlinie eingeführten Systems darstellt, wenn man
einen Mitgliedstaat für berechtigt hielte, die Anerkennung eines
von einem anderen Mitgliedstaat ausgestellten Führerscheins unter
Berufung auf seine nationalen Vorschriften unbegrenzt zu verweigern.
Quelle: http://curia.eu.int/de/actu/communiques/cp04/aff/cp040033de.htm
Kommentar:
Wenn die gerichtlich festgesetzte Sperrfrist also abgelaufen ist,
ist ein EU Führerschein auch hier uneingeschränkt gültig.
Daran gibts nichts mehr zu rütteln. Selbst der Wohnsitz zum Zeitpunkt
des Führerschein Erwerbs muss lt. obigen Urteil nicht im Erwerberland
liegen.
Bereits
in seiner Entscheidung vom Dezember 2003 hat der EU-GH zu dieser
Frage eine klare Aussage getroffen. Grundsätzlich geht der EU-GH
bei der Anerkennung einer Fahrerlaubnis entsprechend der Richtlinie
von einem Automatismus aus, der grundsätzlich an keine weiteren
Bedingungen geknüpft werden darf und ohne jede Formalität zu erfolgen
hat. Demzufolge der Aufnahmestaat nicht zu prüfen hat, ob die Erteilungsvoraussetzungen
im Erteilungsstaat vorgelegen haben.
Bleibt noch die Wohnsitzregelung zum Zeitpunkt des Führerschein
Erwerbs. Ganz klar hätten die Holländer lt. internationaler
Abkommen dem Führerschein Erwerber erst nach Ablauf von 6 Monaten
Wohnsitz in Holland einen holländ. EU Führerschein ausstellen
dürfen. Aus welchen Gründen auch immer, wurde diese Frist
wohl nicht gewahrt und der Führerschein trotzdem ausgestellt.
Trotz dieser Umstände darf die Anerkennung desselben in Deutschland
nicht verweigert werden. Nutzniesser ist natürlich der EU Führerschein
Erwerber.
Grundsätzlich
hat ein ausländ. EU Führerschein schon einige Vorteile. Man
darf in allen Ländern damit fahren, sofern kein Fahrverbot/gerichtlich
verhängte Sperrfrist für das jeweilige Land besteht. Kein
deutsches Gericht darf einen in einem anderen EU Land ausgestellten
EU Führerschein einziehen. Man muss den ausländischen
EU Führerschein seit 1999 auch nicht mehr in einen deutschen
Führerschein umschreiben lassen. Ab 2013 wird es ein eu-weites
Verkehrsregister geben, dann wird es unmöglich sein, den Führerschein,
sofern in einem Mitgliedsstaat entzogen, gleichzeitig in einem anderen
Mitgliedsstaat zu erwerben. Die Sperrfrist gilt dann für die
ganze EU.
Man
sollte aber niemals vergessen, dass ein dt. Staatsbürger, egal ob
er einen ausländischen EU Führerschein besitzt, auch in D mit
einem Fahrverbot oder Führerscheinentzug belegt werden kann,
sofern er wieder auffällig wird.